Datenqualität: Das Tabu in der digitalen Transformation

Datenqualität: Das Tabu in der digitalen Transformation

Matthias Sartor

Matthias Sartor

Vorstand KUMAVISION AG

Jeder weiß es. Niemand spricht drüber. Und fast alle machen mit.

Schlechte Daten sind in Unternehmen so verbreitet wie Kaffeetassen auf dem Schreibtisch – nur mit deutlich gravierenderen Folgen. Trotzdem: Datenqualität ist selten Chefsache. Viel zu oft wird sie als lästiges Detail behandelt, das irgendwo zwischen IT und Sachbearbeitung herumdümpelt. Dabei liegt gerade hier ein gewaltiger Hebel für Effizienz, Kundenzufriedenheit und Zukunftsfähigkeit.

Warum Datenqualität nicht als Problem wahrgenommen wird

Man sieht sie nicht. Man hört sie nicht. Man spürt sie, aber nur indirekt: mangelhafte Datenqualität. Und genau darin liegt das Problem. Schlechte Daten machen keinen Lärm, sie erzeugen selten roten Warnlampen. Sie führen einfach dazu, dass alles ein bisschen komplizierter, ungenauer, langsamer und fehleranfälliger ist.

Die meisten Unternehmen haben sich mit diesem Status quo arrangiert. Sie akzeptieren fehlende Pflichtfelder, doppelte Kundenstammsätze, uneinheitliche Artikelnummern, redundante Nebenbuchhaltungen mit individuellen Excel-Tabellen. „Das war schon immer so“ höre ich oft. Und es funktioniert ja irgendwie. Aber nur irgendwie.

Kurz: Datenqualität ist das perfekte Nicht-Thema.

Bis es knallt.

Die Kultur des Akzeptierens – eine gefährliche Innovationsbremse

Schlechte Daten sind selten spektakulär. Sie erzeugen keine Schlagzeilen, aber viele kleine Stolperfallen:

  • Ein Auftrag wird doppelt ausgelöst, weil Kundendaten in zwei Varianten vorliegen.
  • Eine Lieferung verzögert sich, weil der Lagerstand falsch war.
  • Eine fehlerhafte Lieferung erfordert den kostspieligen Feuerwehreinsatz eines Kuriers
  • Das Suchen nach Informationen erzeugt Tag für Tag Stress bei den Mitarbeitenden
  • Informationen versickern in versteckten Nebenbuchhaltungen, neue Kollegen finden sich nicht zurecht
  • Die Geschäftsleitung trifft eine strategische Entscheidung, die auf einem Report basiert, der mit veralteten Zahlen erstellt wurde.

Jede dieser Situationen kostet Geld, Zeit, Nerven. Doch weil es oft niemand systematisch erfasst, bleibt das Thema unter dem Radar. Eine „Kultur des Akzeptierens“ macht sich breit: Wir wissen alle, dass es besser ginge. Aber wir machen trotzdem weiter wie bisher. Das ist gefährlich. Denn schlechte Daten wirken wie Sand im Getriebe. Und je digitaler das Unternehmen, desto mehr knirscht es.

„Viele Führungskräfte sind nicht auf den Zeit- und Kostenaufwand für die Bereinigung ihrer Daten vorbereitet“, konstatiert eine Studie der RAND Corporation zum Scheitern datengetriebener Projekte. 

Die versteckten Kosten schlechter Daten

Datenmängel wirken nicht nur auf operativer Ebene – sie schwächen das Unternehmen strategisch. Datenqualität ist kein IT-Thema. Sie ist ein Business-Thema. Und sie kostet viel:

  • Produktivitätsverluste: Mitarbeitende verbringen täglich Stunden mit Korrekturen oder Nachfragen
  • Kundenunzufriedenheit und Umsatzverluste: Falsche Preise, doppelte Ansprachen, verspätete Lieferungen
  • Fehlentscheidungen: Management plant mit veralteten oder unvollständigen Daten
  • IT-Mehrkosten: Aufwändige Workarounds und manuelle Nachbearbeitung
  • Compliance-Risiken: Unvollständige Dokumentation, fehlende Daten bei Audits und Zertifizierungen
  • Unzufriedene Mitarbeitende: Stress durch mehrfache Erfassung, zeitraubende manuelle Arbeiten, Suchen nach Informationen
  • Know-how-Transfer: Nur wenige, erfahrende Mitarbeiter sind in der Lage Informationen zu bewerten und zu finden. Verlassen diese Mitarbeiter das Unternehmen geht wertvolles Wissen verloren.

Eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) kommt zu dem Schluss: Schlechte Daten kosten Unternehmen 20–30 % ihrer operativen Leistungskraft (MIT Sloan Management Review).

Das ist keine IT-Kleinigkeit. Das ist ein handfester Wettbewerbsnachteil. Und führt uns zu der nächsten Frage.

Warum Führungskräfte oft wegschauen

Es gibt viele Gründe, warum Datenqualität nicht in der Chefetage ankommt:

  • Unklare Verantwortung: „Ist das nicht Aufgabe der IT?“
  • Fehlendes Bewusstsein: „Wir haben doch ein ERP – das reicht.“
  • Keine KPI-Transparenz: „Wie misst man Datenqualität überhaupt?“
  • Projektfokus statt Prozessdenken: „Wir machen gerade eine Migration, damit wird schon alles besser.“

Aber: Datenqualität ist kein einmaliges Projekt. Es ist ein fortlaufender Prozess. Und dieser Prozess braucht Führung.

Datenqualität gehört auf die Agenda der Geschäftsführung

Wenn Sie als Geschäftsführer, Inhaber oder C-Level-Verantwortlicher diese Zeilen lesen, fragen Sie sich: Wann haben Sie zuletzt aktiv über die Qualität Ihrer Unternehmensdaten gesprochen? Nicht über die Software. Nicht über Reports. Über die Basis. Die Daten selbst.

Denn genau dort entscheidet sich,

  • wie zuverlässig Ihre Prozesse sind,
  • wie automatisierbar Ihre Abläufe sind,
  • wie zukunftsfähig Ihre Organisation ist,
  • wie gut die eine KI mit Ihren Daten arbeitet,
  • wie zufrieden Kunden und Mitarbeiter sind,
  • wie belastbar Ihre Entscheidungen sind.

Gute Daten sind kein Nebenprodukt. Sie sind die Voraussetzung für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Gute Daten verdienen strategische Priorität – nicht irgendwann, sondern jetzt. Denn wer morgen über KI nachdenkt, muss heute über Datenqualität sprechen. Davon profitiert das operative Tagesgeschäft sofort. In Form von mehr Automatisierung und Skalierung. In Form von weniger Stress und Unzufriedenheit. Und vor allem: Durch mehr Vertrauen in die eigenen Daten und das ERP-System. 

Kontakt